Meine Laute: Anfängerfragen zu Saitenlage und Saitenabstand

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Sansensemble
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Meine Laute: Anfängerfragen zu Saitenlage und Saitenabstand

Beitrag von Sansensemble » So 22. Mai 2016, 12:08

Hallo Lautengesellschafter!

Von der Laute habe ich noch wenig Ahnung, mir nur dies und das angelesen. Nun habe ich ein Instrument (ja, bei Ebay...) aus den 50ern des Geigenbauers Anton Büttner in Augsburg und wundere mich über manches.

Die Laute hat 10 Chöre: fünf Doppelchöre, eine einzelne Diskantsaite und vier einzelne Basssaiten, die als Bordune von einem Reiter auf dem Wirbelkasten parallel neben dem Griffbrett geführt werden. Auffälligerweise besitzt das Griffbrett feste Bünde (aus Bein) und am Saitenhalter, der sich nicht mittig, also asymmetrisch auf der Decke befindet, laufen die Saiten über einen Steg (ebenfalls aus Bein) wie bei einer Konzertgitarre.

Ist ein solcher Aufbau irgendwem bekannt?

Derzeit befindet sich das Instrument bei einem Geigenbauer, der mir einen der Ebenholzwirbel ersetzt, da dieser im Kern gebrochen ist. Deshalb habe ich zur Zeit noch keine Fotos (das Ebayangebot wäre noch einsehbar).

Nun denke ich über Folgendes nach und vielleicht bekomme ich hier Meinungen dazu. Die Saitenlage erscheint mir sehr hoch durch den Steg, so dass etwa ab dem vierten Bund das Greifen der Doppelchöre schwierig und unsauber wird (Abstand in Millimeter kann ich derzeit leider auch nicht nennen). Dazu ist der Abstand der jeweiligen Saiten der Chöre voneinander relativ groß (ich denke, über 5mm), wobei die Saiten bei einem Chor noch etwas weiter auseinanderliegen als bei den anderen. Kann es Sinn machen, den Steg niedriger legen zu lassen und die Saiten durch Einkerbungen im Steg in einer bestimmten Position zueinander zu führen?

Darüberhinaus scheinen mir die Saiten (in 415 hz gestimmt) sehr wenig Spannung und deshalb eine große Amplitude beim Schwingen zu haben (man könnte sagen "wabbelig"). Das widerspräche ja eigentlich sowohl einer niedrigerer Saitenlage als auch einem geringeren Abstand innerhalb der Chöre, weil die Saiten dann leicht schnarren können.

Ich weiß, das sind für den Anfang sehr dürftige Informationen. Wenn das Instrument zurück ist, kann ich genauere Angaben machen. Aber vielleicht können mir auch jetzt schon ein paar grundsätzliche Gedanken von Lautekennern weiterhelfen. Ich bin für jede Information dankbar, ich lerne gern dazu.

Gruß,

Bene
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Johann Georg August Galletti (1750 - 1828, Historiker und Geograph)

Tedesco del Liuto

Re: Meine Laute: Anfängerfragen zu Saitenlage und Saitenabst

Beitrag von Tedesco del Liuto » Mo 23. Mai 2016, 08:09

Bonjour Mr Sansensemble!

Das Instrument, welches Sie erstanden haben, hat in erster Linie antiquarischen Wert. Mit dem, was heute z.B. unter einer Renaissance-Laute verstanden wird, hat es in erster Linie äußerliche Ähnlichkeit. In der Zeit vor den 1970er-Jahren hat man in Deutschland (und auch anderswo) solchen hybriden Instrumente gebaut, welche die stabile, auf hohen Saitenzug ausgelegte Konstruktion von Gitarren mitsamt den festen Bünden, dem Steg mit Einlage (oder Saitenauflage-Leiste), eine lackierte Decke, weite Saiten- bzw. Chorlage am Sattel usw. mit manchmal recht eigenen Vorstellungen von Besaitung und Halskonstruktion kombinieren. Manche prominente Musiker, z.B. Julian Bream, haben mit dieser Art von Lauten recht erfolgreich musiziert und dem Interesse an dem historischen Instrument und seiner Musik viel geholfen. Wenn Sie z.B. einen Hintergrund in klassischer Gitarre haben (ihre Beobachtung, dass Ihnen die Besaitung eher schlaff vorkommt, scheint darauf hinzudeuten), könnten Sie mit solch einer Laute sogar ganz gut zurrecht kommen. Der Stimmton sagt allerdings nicht viel über die Besaitung aus – die hat wesentlich mit den Faktoren Mensur, Saitendurchmesser und Frequenz zu tun.

Es gibt bei dieser Art von Instrument ein Moment, wegen dem eine Warnung angebracht ist: Manchmal sind die Mensuren sehr groß. Heute baut man ein Instrument, was z.B. für solistisch Lautenmusik um 1600 gedacht ist, oft (meist?) mit einer Mensur zwischen knapp unter 60 cm bis ein bissele darüber. Hybrid-Instrumente mit deutlich größeren Mensuren können die Gesundheit des Spielers gefährden (die einer oder andere Lautenistenpersönlichkeit aus den frühen Jahren der Early-Music-Bewegung konnte ein schmerzhaftes Lied davon singen, dessen Strophen Sehnenscheidenentzündung, Karpaltunnelsyndrom und fokale Dystonie heißen).

Wenn Sie die Möglichkeit haben, dann schauen Sie sich zum Vergleich doch mal Instrumente an, die von heutigen Lautenbauern geschaffen werden!

Viele Grüße,

Gioacchino

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Re: Meine Laute: Anfängerfragen zu Saitenlage und Saitenabst

Beitrag von Sansensemble » Mo 23. Mai 2016, 19:00

Hallo Gioacchino!

Vielen Dank für die Erläuterungen und die Einordnung. Ein ganz spannendes Instrument, auch wenn es von historisch fundierten Lauten weit entfernt ist. Zumal es sich anscheinend in diesem Hybrid-Bereich um ein durchaus gut gearbeitetes Instrument handelt. Der Geigenbauer, bei dem sich die Laute derzeit befindet, zeigte sich sehr angetan, vor allem vom Holz der Decke und dem Funier an Hals und Wirbelkasten.

Dann ist diese Laute also sozusagen als Rückwärtsbewegung ausgehend von den Gitarrenlauten des 19./20. Jahrhunderts wieder ein wenig mehr hin zur ursprünglichen Laute zu verstehen? Wenn im 19. Jahrhundert alte Formen der Laute zu Gitarren umgebaut wurden (z.B. durch schmalere Hälse, Mechaniken statt Wirbeln, feste Bünde und eine Brücke für sechs Saiten), dann stellt meine Laute den Ansatz einer Rückführung dar, bei der die Bünde und die Brücke beibehalten, die Saitenanzahl aber wieder den lautentypischen Chören und Stimmungen angepasst wurde. Klanglich dürfte sie in der Tat deutlich von Renaissance- oder Barocklauten (letzteres stand wohl Pate, ersichtlich an den Basssaiten, die auf den Gebrauch als Basso continuo hindeuten) unterschieden und entfernt sein. Der ganze Bau erscheint eher wuchtig als "lautenleicht", ich bin gespannt, was herauskommt, wenn ich sie wiege.

Gruß,

Bene
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Tedesco del Liuto

Re: Meine Laute: Anfängerfragen zu Saitenlage und Saitenabst

Beitrag von Tedesco del Liuto » Mo 23. Mai 2016, 20:23

Bona sera und bitteschön! Das mit der Rückwärtsbewegung ist wohl tatsächlich das, was man damals versuchte, jedenfalls verstehe ich das auch so.

Ich habe noch eine Kleinigkeit vergessen, die betrifft das vermutete Saitenklappern nach dem, ahem, Tieferlegen: Ob's dann und wie auffällig hängt auch von der Art der Klangerzeugung ab. Die anfängliche Auslenkung einer Saite ist schon größer, wenn man näher an der Mensurlänge anschlägt, als wenn man mit der rechten Hand eher in der Nähe des Steges agiert. Das bemerke ich bei meiner 10-chörigen, die eine rechte flache Saitenlage hat, so dass ich sehr auf die richtigen Bundgrößen achten muss. Wenn ich aus irgendeinem Grund mal über der Rosette agiere, schnarrt es sehr viel eher mal, als wenn ich in meiner Normalposition ein paar Zentimeter vor dem Steg anschlage.

Tanti saluti,

Gioacchino detto Il Tedesco del Liuto


Sansensemble hat geschrieben:Hallo Gioacchino!

Vielen Dank für die Erläuterungen und die Einordnung. Ein ganz spannendes Instrument, auch wenn es von historisch fundierten Lauten weit entfernt ist. Zumal es sich anscheinend in diesem Hybrid-Bereich um ein durchaus gut gearbeitetes Instrument handelt. Der Geigenbauer, bei dem sich die Laute derzeit befindet, zeigte sich sehr angetan, vor allem vom Holz der Decke und dem Funier an Hals und Wirbelkasten.

Dann ist diese Laute also sozusagen als Rückwärtsbewegung ausgehend von den Gitarrenlauten des 19./20. Jahrhunderts wieder ein wenig mehr hin zur ursprünglichen Laute zu verstehen? Wenn im 19. Jahrhundert alte Formen der Laute zu Gitarren umgebaut wurden (z.B. durch schmalere Hälse, Mechaniken statt Wirbeln, feste Bünde und eine Brücke für sechs Saiten), dann stellt meine Laute den Ansatz einer Rückführung dar, bei der die Bünde und die Brücke beibehalten, die Saitenanzahl aber wieder den lautentypischen Chören und Stimmungen angepasst wurde. Klanglich dürfte sie in der Tat deutlich von Renaissance- oder Barocklauten (letzteres stand wohl Pate, ersichtlich an den Basssaiten, die auf den Gebrauch als Basso continuo hindeuten) unterschieden und entfernt sein. Der ganze Bau erscheint eher wuchtig als "lautenleicht", ich bin gespannt, was herauskommt, wenn ich sie wiege.

Gruß,

Bene

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Re: Meine Laute: Anfängerfragen zu Saitenlage und Saitenabst

Beitrag von Sansensemble » Di 24. Mai 2016, 20:00

Hallo!

Ja, Deine Erläuterung der Anspieltechnik ist völlig einleuchtend. Das schränkt letztlich zwar die Möglichkeiten der Klangfarbe ein, aber dann ist das halt für das betreffende Instrument charakteristischerweise nötig.

Ich werde sehen - letztlich ist mir wichtig, das Instrument gut spielbar zu bekommen, auch wenn das jenseits der jüngeren Kenntnisse über das Spiel und den Klang einer Renaissance- oder Barocklaute ist. Was Du oben zur Sielbarkeit für Gitarristen vermutest, trifft für meine bisherige Musiktätigkeit in der Tat zu.

Was denkst Du hinsichtlich der rechten Hand auf meinem Instrument? Zu spielen wie eine Laute oder eher wie eine Gitarre?

Und dienen die Basssaiten tatsächlich zum direkten Spiel oder mehr zur Beeinflussung des Klangbildes durch die mitschwingenden Obertöne? Mir war aufgefallen, dass das Sustain (nennt man das bei einer (Hybrid-)Laute so?) erstaunlich lang ist - was mir erstmal gut gefällt.

Gruß,

Bene
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Tedesco del Liuto

Re: Meine Laute: Anfängerfragen zu Saitenlage und Saitenabst

Beitrag von Tedesco del Liuto » Mi 25. Mai 2016, 13:34

Moin!

Nun: Klangfarbenwechsel sind natürlich noch möglich, die Hand ist ja nie in einer Position festgeschweißt, aber es ist eher unüblich, mit so grellen Effekten zu operieren, wie sie manchmal beim Gitarrenspiel in vergangenen Jahrzehnten zu hören ware.

Zur rechten Hand: das Instrument und seine Besaitung eröffnen sicherlich einerseits Möglichkeiten, andererseits verlegen sie sicherlich den Weg zu einer Anwendung der älteren Anscblagstechnik ("thumb under"), die aber auch zur Renaissancelaute gehört. Die spätere stellt den Daumen nach außen und realisiert Laufwerk hauptsächlich mit einem Wechselschlag zwischen Mittelfinger (schwere Zeiten) und Zeigefinger (leichte Zeiten). Der Unterschied zu einer Technik wie auf einer modernen spanischen Gitarre betrifft z.B. Positionierung des kleinen Fingers, der auf der Decke steht und eine Orientierung in Hinblick auf die Höhe über der Decke und die Position quer über die Chöre über das Körpergefühl möglich macht. Das wird besonders dann immer sehr interessant, wenn man mit dem Daumen in den Bässen unterwegs ist, die sind nämlich durchaus keine reinen Resonanzsaiten, sondern werden gespielt.

Tanti saluti´,

Gioacchino detto Il Tedesco del Liuto

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Re: Meine Laute: Anfängerfragen zu Saitenlage und Saitenabst

Beitrag von Sansensemble » Mi 25. Mai 2016, 19:36

Hallo!

Erneut vielen Dank für die Erläuterungen. Das hilft mir schonmal weiter, manches einzuordnen.

Gruß,

Bene
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Re: Meine Laute: Anfängerfragen zu Saitenlage und Saitenabst

Beitrag von Tedesco del Liuto » Mi 25. Mai 2016, 20:24

Bitteschön - just my pennyworth! Übrigens: Sustain verstehe ich gut (man hat halt selbst auch mal als Rockstar angefangen).

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Re: Meine Laute: Anfängerfragen zu Saitenlage und Saitenabst

Beitrag von Sansensemble » Mo 30. Mai 2016, 20:32

Habe die Laute zurück und kann jetzt eigene Fotos nachreichen und genauere Angaben machen. Manches davon habe ich durch einen Geigenbauer und einen Lautisten in einem Musikhaus erfahren können.

Gekauft von Geigenbaumeister Hellmut Kreppel (Musik Müller, Augsburg)

Gebaut von: Geigenbaumeister Anton Büttner (Augsburg, vormals Wien), Jahreszahl auf dem Zettel 1951 (oder 1961?)

Melodiesaiten g', d'd', aa, ff, cc, GG (Mensur 63,5 cm)
Basssaiten: F, E, D, C (Mensur 67 cm)

Decke: Fichte (mit handgestochener Rosette)
Muschel: Nussbaum (Adern wohl Ahorn)
Hals und Wirbelkasten/Bassreiter: Palisander furniert
Griffbrett: Palisander
Saitenhalter (asymmetrische Position), Wirbel und Knöpfe: Ebenholz
Sattel, Bünde und Stegeinlage: Bein (Knochen?)

Die Laute ist gut gearbeitet und in sehr gutem Zustand für ihr Alter. Anscheinend wurde sie wenn überhaupt sehr wenig gespielt. Möglich, dass sie nach Fertigstellung stets als Ausstellungsstück vor Ort und bei Übernahme der Werkstatt weiter in Händlerhand verblieb. Der Verkäufer teilte mir mit, dass er sie seinerseits so wie sie ist übernommen hatte. Ein Wirbel wurde nun ersetzt (mit einem angepassten Cellowirbel) und die Saitenlage am Steg um 1 mm niedriger gearbeitet. Ältere Reparaturen ist eine Verleimung in der Rosette und die Schließung mehrerer Risse auf der Decke (ohne Öffnung des Instruments nur durch Einfügen von Leim oder Ähnlichem). Besonders das Furnier des Wirbelkastens und das Holz der Decke sind qualitativ auffallend.

Die Konstruktion enthält zwar sozusagen Restanteile von Gitarrenlauten und vor allem die festen Bünde und die Stegeinlage rücken das Instrument in Gitarrennähe. Insgesamt kann man dennoch von einer Laute sprechen und mir gefallen die ungewöhnlichen Aspekte dieses Instruments sehr gut - das passt zu mir.

Eine komplett neue Besaitung (für 440hz-Stimmung) ist auf dem Weg, derzeit fehlt die Diskantsaite.
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