Stimmung , Saiten aufziehen und Wirbelseife

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Raimund
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Stimmung , Saiten aufziehen und Wirbelseife

Beitrag von Raimund » Fr 16. Okt 2015, 12:08

Hallo, ich bin Raimund und spiele erst seit 1 Jahr Laute. Deshalb hab ich noch nicht so viel Erfahrung

Meine Laute hat normale Stimmung a = 440: Habe die jetz mal runtergestimmt auf 415.weil mein Lehrer hat eine mit solcher Stimmung (wir können dann Duette spielen) Mir ist jetzt erstmals eine Saite gerissen (die hohe g). Die zu ersetzen ist ja offenbar noch die einfachste Saite zum neu aufziehen
Ich wollte dann die Laute wieder auf a = 440 stimmen und gerade bei der hohen g rutschte der Wirbel immer wieder etwas zurück und die Stimmung hielt nicht recht
Jetz mal die Fragen

1.)
Kann es sein daß die Laute auf die Runterstimmung auf 415 und dann die Wieder-Raufstimmung auf 440 allergisch reagiert ? Gebaut wäre sie ja für 440, eine "Überspannung" ist das ja nicht. Vielleicht soll man trotzdem die tiefere Stimmung vermeiden oder was gibt es da zu beachten ?
2.)
Ich habe auch das Gefühl daß das mit den Bünden auf 415 irgendwie problematischer war wegen der Stimmung. Bzw. nach Aufziehen der neuen Saite bzw auf 415 hatte ich irgendwie mehr Stimmungsprobleme als vorher. Das Rumschieben in Nuancen an den Bünden war irgendwie lästig. Gibt es da was zu beachten gerade wenn man von 440 auf 415 runtergestimmt hat bzw später wieder rauf auf 440 ? Bei der Rumschieberei sind die Bünde dann oft nicht mehr gleichmässigverteilt, so daß die "Griffflächen" bei einem Bund dann größer, beim anderen "zusammengeschoben" sind. Ist denn die gleichmäßige "Verteilung" als Idealfall anzusehen bzw muss das so sein ?
3.)
Wirbelseife: hatte mir dann die der Firma Joha bestellt . Gebrauchsanleiitung war nicht dabei, weil offenbar das klar sein sollte wie es geht. Mir war es nicht klar. Bestellt hab ich bei Pyramid, da konnte mir auch keiner helfen ! Diese Wirbelseife von Joha ist ein "fester Klotz" , ich wusste gar nicht wie ich die auftragen soll. Nimmt man den Klotz und versucht es, bleibt so gut wie nichts haften. Soll man denn da was runterraspeln von dem Klotz ? Hab ich probiert , das bleibt aber auch nicht hängen. Die Wirbel sind einfach zu glatt dafür Sollte man die mit etwas Wasser zusammenbringen (Siefe und Wasser gehört ja zusammen) und dann den "Brei" auftragen ? Wasser und Holz , das hab ich mich nicht getraut. Bitte entschuldigt , aber als Anfänger sorg ich hier sicher für Belustigung, aber ich nehm es auch selbst mit Humor. Mein Lehrer kannte sich mit dieser Wirbelseife auch nicht aus, er kannte nur das "Kreide-Rezept".
Hab mir dann Wirbelseife von Hill bestellt, das ist wie ein Stift und lässt sich gut auftragen und bleibt auch hängen. Wenn ich die die Laute wieder auf 440 raufstimmte, sollte ich dann nochmal neu auftragen ?
Obwohl das mit der Hill gut geht, würde mich trotzdem interessieren wie die von Joha am besten anzuwenden ist
Ansonsten hab ich natürlich schon gehört von Kreide, Babypuder und was en noch so alles gibt . Aber das soll nicht Gegenstand der Frage sein
4.)
Mir graut schon wenn eine andere Saite als die hohe g reisst. Bei dem Saitengewirr am Wirbelkasten. Wenn ich die neue Saite aufziehe, ist ja das Loch zum durchziehen auf der Innensaite des Wirbelkastens (nur bei der tiefen D und der hohe g ausserhalb) Wie wurstelt man den die neue Saite da am besten rein, empfiehlt es sich die anderen Saiten "rumdum" auch zu lockern damit der Zugroff zum Wirbelkasten besser funktioniert. Die anderen Saiten sind ja alle irgendwie "im Weg".

ist jetzt einiges an Fragen, aber ist halt grade alles auf einmal aktuell , ich würde mich freuen über Antworten. Als Anfänger ist obiges alles noch Neuland für mich. Mein Lehrer konnte mir zwar schon auch helfen und mir einiges sagen. Aber je mehr ich erfahre umso besser . Es gibt ja oft nicht nur 1 "Lösung"

diesch
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Re: Stimmung , Saiten aufziehen und Wirbelseife

Beitrag von diesch » Fr 16. Okt 2015, 15:41

Hallo Raimund,

zur Stimmung, zur Besaitung muß man wissen, daß die Saiten nicht "von der Stange" sind. Die werden jede einzeln ausgerechnet danach, wie lang die schwingende Saite ist und aus welchem Material und welchen Ton sie erzeugen soll. Das alles unter Berücksichtigung des gewünschten Saitenzugs.
Wenn man also ein Instrument in der Stimmung 415 Hz haben möchte, dann ist Runterstimmen die ungünstige Lösung, denn dann haben alle Saiten etwas wenig Zug. Wenn also konsequent das Instrument auf 415 Hz gestimmt sein soll, dann kann man die schwingende Saitenlänge ausmessen und eine Bestellung aufgeben für einen Satz passender Saiten. Oder man berechnet selbst, welche Saiten man braucht und bestellt die dann. Das erfordert aber etwas Wissen über den passenden Saitenzug, den man bei einem Instrument vom Instrumentenbauer mitbekommt (den Lehrer fragen).
Kleine Programme zum Berechnen gibt es online - z.B. Arto's string calculator.

Viel Spaß mit der Laute
Dieter

EkkehardUlrich
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Re: Stimmung , Saiten aufziehen und Wirbelseife

Beitrag von EkkehardUlrich » Mi 21. Okt 2015, 12:06

Lieber Raimund!
Daß sich der Wirbel beim Hochstimmen der g-Saite etwas zurückdreht und die Stimmung nicht richtig hält kann darauf zurückzuführen sein, daß der Wirbel und das Wirbelloch unrund sind. Mit normaler Wirbelseife ist dem nicht beizukommen, es sollten Wirbel und Loch nachgearbeitet werden, damit sich der Wirbel wieder gut drehen läßt. Ob Loch und Wirbelunrund sind kannst Du feststellen, wenn Du den Wirbel lockerst daß er sich leicht drehen läßt. Beim Drehen wird man dann spüren daß er sich unterschiedlich leicht drehen läßt, alle 90 Grad wechselt es zu ganz leicht zu fester. Viele versuchen diesen Fehler mit Hill’s Wirbelcreme („Lippenstiftform“) zu beseitigen, das macht es aber nicht gut sondern bewirkt, daß Wirbel und Loch ausgerieben werden, weil diese feine harte Körnchen enthält, die sich im Holz verkrallen. Nach einiger Zeit paßt dann der Wirbel gar nicht mehr, weil sich das Loch vergrößert hat und der Wirbel dünner geworden ist und dann muß doch nachgearbeitet werden. Bei einer Geige (für die diese Wirbelcreme entwickelt wurde, aber von guten Geigenmachern nicht empfohlen wird) mit nur 4 Wirbeln ist das vielleicht noch machbar aber bei 13 Wirbeln ist dann der Aufwand schon groß.

Das Beste ist, Du läßt die Wirbel von einem Lauten- oder Geigenmacher richten. Das selbst zu machen ist ohne entsprechendes Werkzeug nicht möglich. Unrunde Wirbel und Wirbellöcher entstehen durch die Alterung der Hölzer und durch zu trockene oder zu feuchte Raumluft (letzteres kommt selten vor) und hat nichts mit dem Können des Lautenmachers zu tun. Wenn Du kannst, laß es den Erbauer machen!

Joha Wirbelseife ist sehr gut, sie wird trocken aufgetragen. (Bitte nicht mit Wasser anfeuchten) Sie besteht aus Kernseife und echter Kreide. Puristen lehnen fertige Wirbelseife ab und schmieren die Wirbel mit Kernseife bis sie leichtgängig sind und bremsen dann mit Kreide (Tafelkreide geht) in leichten Strichen bis sie die gewünschte Haltekraft haben. (Die Schleifwirkung von Kreide ist wesentlich geringer als die der Zusätze in der Hill-Creme da Kreide viel weicher ist). Wenn man Wirbelseife nicht auftragen kann ist bereits eine zu harte Schicht von etwas anderem drauf, die sollte mit ganz feinem Sandpapier (Korn 240) mit leichtem Druck weggerieben werden. Auch Ebenholzwirbel können so blankgerieben sein, daß sich Wirbelseife nicht gut auftragen läßt, hier kann auch mit Sandpapier die Gleitstelle leicht angeraut werden, daß die Seife sich auftragen läßt. Einige Striche mit der Seife auf die Gleitstelle reichen, es muß nicht vollgeschmiert sein. Wirbelseife soll man nur auf wirklich runde Wirbel auftragen.

Hüte Dich vor Babypuder, Schneiderkreide und Talkum als Ersatz für die Wirbelseife. Diese machen das Stimmen noch schwieriger da sie nur schmieren und nicht bremsen können. Ich habe auch schon Parafin (Kerzenwachs) erlebt, das alle Wirbel gelockert hat als es im Raum wärmer wurde.

Daß die erste Saite gerissen ist kann durch zu scharfe Kanten am Sattel und/oder Steg kommen. Es kann aber auch sein, daß die Mensur Deiner Laute zu lang ist. Heutige Saitenwerkstoffe halten zwar auch lange Mensuren, auch bei a‘ 440 Hz und g‘, doch fließen diese Werkstoffe bei hoher Spannung mit der Zeit mehr, so daß die Saite immer dünner wird, bis sie die Last nicht mehr tragen kann und dann reißt. Durch dieses Fließen hält auch die Stimmung nicht gut. Ich weiß nicht, wie lang Deine Mensur ist und ich weiß nichts von Deinem Instrument, deshalb kann ich dazu nichts weiter sagen.
Daß Du Angst vor dem Wechseln einer Saite innerhalb des Wirbelkastens hat ist nachvollziehbar. Es wird aber wohl nicht so schnell dazu kommen, da alle anderen Saiten so geringe innere Spannung haben, daß ein Reißen nur bei einer Verletzung der Saite vorkommt. Sollte es doch sein, nimm eine Pinzette zu Hilfe. Den Wirbel ziehst Du dann soweit aus dem Kasten, daß das Saitenloch innen an der Wirbelkastenwange ist, da hast Du dann Platz, um die Saite einzuziehen. Auf dem Wirbel sollen nur etwa 5 Windungen der Saite sein, wenn sie gestimmt ist, mehr macht nur Schwierigkeiten beim Stimmen. Ich habe schon erlebt, daß man den gesamten Saitenrest aufgewickelt hat, besser ist, man schneidet ihn ab, wenn die Saite aufgezogen ist.

Das Herunterstimmen einer Laute auf a‘415 Herz ist unproblematisch. Auch das wieder Hochstimmen. Es wird sich aber einige Zeit lang die Stimmung verändern, da sich die Saiten den verminderten bzw. höheren Kräften durch Fließen anpassen werden. Ein halber Ton niedriger vermindert die Saitenkraft um etwa 11%, beim Hochstimmen um einen halben Ton wird die Saitenkraft etwa 12% höher. Wenn Die Laute auf a‘ 440Hz besaitet wurde, ist es für das Instrument kein Problem tiefer zu stimmen. Der Oktavpunkt verschiebt sich dabei um wenige 100tel mm auf der g#-Saite und bis zu 0,15 mm auf dem f-Chor, Das wird aber kaum einer bemerken. Da man durch den Druck der Finger auf die Saiten dies sofort ausgleicht, falls man es hört. Durch die gleichstufige Temperatur ist die Tonleiter eh verstimmt. Die Bünde deshalb zu verschieben ist absolut unnötig, wenn sie gut eingerichtet waren. Du mußt nur darauf achten, daß die Oktaven über das Griffbrett richtig stimmen.

Heute werden die Saiten auf der Laute meist zu stark gespannt. Geringere Kräfte der Saiten lassen sich aber leichter spielen und klingen meist auch besser.

Unregelmäßige Abstände der Bünde ergeben sich bei anderen Temperaturen (z.B. Mitteltönig oder deren Varianten), bei der heute üblichen gleichstufigen Temperatur (fälschlich auch „gleichschwebend“ genannt) ist der Abstand von Bund zu Bund gleichmäßig durch die zwölfte Wurzel aus 2 bestimmt. Meist hat der Lautenmacher die Positionen der Bünde auf dem Griffbrett (meist am Rand) markiert. Wenn nicht, kann ich Dir die Maße dafür schicken, dazu brauche ich dann die Mensur und die Saitenhöhe der g‘ Saite überm Griffbrett am 8ten Bund.

Wenn Du nun durch leichtes Verschieben der Bünde eine ungleichmäßige Anordnung der Bünde bekommst zeigt es, daß Du versucht hast, die Terzen und/oder die Quinten/Quarten rein zu stimmen. Da die Obertöne der Saiten auf der Laute stärker zur Geltung kommen hört man die Verstimmung zur gleichstufigen Temperatur natürlich besser als auf der Gitarre, deren Obertöne mehr gedämpft sind. Der Wunsch, das auszugleichen ist deshalb verständlich. Da das nicht für alle Positionen und Chöre gelingt wirst Du immer unzufrieden sein, wenn Du eine andere Tonart spielst als die, bei der Du dir die Bünde eingerichtet hast.

Ich rate Dir deshalb, bleibe zunächst bei der gleichstufigen Temperatur mit ihren Fehlern. Beim Zusammenspiel mit anderen Instrumenten hast Du es dann leichter. Später kannst Du dann die mitteltönige Temperatur mit ihren Varianten ausprobieren. Es geht dabei hauptsächlich um die große Terz, die Quint wird dabei sehr stark verstimmt, das muß man dann auch aushalten können. Da aber in der Renaissancemusik die Quint fast nie alleine gespielt wird, ist es erträglich.
Ich hoffe, ich konnte Dir weiterhelfen. Wenn Du weitere Fragen hast (z.B. Bundabstände für andere Temperaturen oder Saitenberechnung ect.) zögere bitte nicht zu fragen.

EkkehardUlrich

Raimund
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Re: Stimmung , Saiten aufziehen und Wirbelseife

Beitrag von Raimund » Mi 21. Okt 2015, 17:04

Hallo Ekkehard !
Vielen Dank für deine sehr ausführliche Antwort ! Habe beim Durchstöbern der Foren schon mehrere Beiträge von dir gelesen, wirklich toll ! Bist du den "professineller" Lautenbauer , oder Autodidakt ? Ich werde mich mal mit deinen Ratschlägen näher befassen und bei Bedarf hier nochmal Rückmeldung. Derweil vielen Dank !

EkkehardUlrich
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Re: Stimmung , Saiten aufziehen und Wirbelseife

Beitrag von EkkehardUlrich » Do 5. Nov 2015, 12:32

Hallo Raimond!
Ich bin autodidaktischer nebenberuflicher Lautenbauer, das Lautenspiel habe ich auf den häuslichen Bedarf zurückgenommen. Ich beschäftige mich seit 1957 mit der Laute. Damals gab es kaum Literatur und auch keine Foren, wo man sich austauschen konnte, so mußte ich mir alles selbst aneignen. Deshalb versuche ich, wenn hier im Forum Fragen sind, so gut ich kann zu helfen und mein Wissen weiterzugeben. Zu mir kommen auch die Lauten-Studenten der nahe gelegenen Hochschule, wenn sie mit ihren Instrumenten Sorgen haben. Ich habe meine Erfahrung aus über 50 Jahre Lautenbau in einem Buch aufgeschrieben, das auch für Lautenspieler interessant ist. Es ist auch so etwas wie eine "Werkzeugkunde" für Lautenisten.

Ekkehard

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Re: Stimmung , Saiten aufziehen und Wirbelseife

Beitrag von Raimund » Fr 4. Dez 2015, 15:09

Hallo, hier bin ich wieder
Danke an alle ! Ekkehard, ich sag dir mal die Daten wgen "Bundberechnung": Renaissance-Laute, 8 Chöre , Mensur 630 mm, Abstand hohe g-Saite vom Griffbrett am 8.Bund 4 mm.
Habe auch etwas rumprobiert mit gleichmässiger Bundverteilung. Die bringe ich aber nicht richtig hin. Durch die "Voreinstellung" der Knoten kann ich ja auch nur begrenzt justieren , und die Knoten lösen und selbst wieder fest machen, da trau ich mich nicht ran. Fang ich also mal an , als "Ausgangspunkt" an den 1.Bund so hinzuschieben, daß er gut fest sitzt (bei zu lockerer Einstellung löst er sich beim Spielen leichter, weil man ja immer irgendwie beim Greifen mit der linken Hand dran kommt) und richte dann alle folgenden Bünde danach aus, geht das ganz gut für Bund 1-5 (evtl noch 6) gleichen Abstand einzustellen. Auch die Stimmung ist dann durchaus gut insoweit. Für bund 6, bzw auf jd Fall 7 und 8 bleibt dann aber weniger Platz , d.h die fallen "kleiner aus". Will ich die nun etwas größer machen und mich an denen orientieren, muss ja wieder "rückwärts" die Bünde 5-1 nachjusteren (für gleichmässige Verteilung etwas "verkleinern", wenn ich die 6-8 etwas "größer" einstelle) , die 1-5 kann ich aber nicht mehr allzu weit richtung Wirbelkasten schieben ("kleiner einstellen") , weil irgendwann sind sie einfach zu locker (wie oben beschrieben) . Leider konnte ich am Hals der Laute keine Markierungen finden, wo die Bundposition markiert ist. Weiss leider nicht mehr, ob bei Kauf der Laute alle Bünde gleich gross eingestellt waren, könnt ja sein dass 6-8 evtl schon (wenn auch minimal) "kleiner" waren als 1-5.
Ich hab schon mal gesehen, dass bei einem Lautenist irgendwas unter die Bundknoten auf der Halsrückseite geschoben geschoben war (festes Papier / Pappe), damit kann man offenbar die Bünde "fester machen" , wenn sie sich sonst vielleicht schon lösen würden. In diesem Fall könnte ich also die Bünde etwas Richtung Wirbelkasten schieben und dann hilfsweise "fixieren", wo sie sonst vielleicht nicht mehr fest bleiben würden. Was ist von solchen Hilfsmitteln zu halten ? Wenn man die Laute nur noch damit wieder "hinbekommt" ?
Das mit den Oktaven übers Griffbrett , die also vorrangig zu beachten, ist ganz gut . Grade wenn aber Bund 6-8 "kleiner" ausfallen, sind die aber "unrein" (zB leere d - Saite nicht ganz hohe g-Saite 7.Bund) .D.h also die oberen Bünde sind dann "falsch" eingestellt" ! Bei den "unteren" Bünden (1-5) , die "gleich verteilt sind, passt es besser. Ich neige ja dazu dass es wichtiger ist dass es auf jeden Fall bis zum 5.Bund passt , die "kritischen Bünde" (in meinem 6-8) kommen ja nicht so oft "zum Einsatz". Wie du ja schreibst, gewisse "Unreinheiten" muss man offenbar immer hinnehmen !
Also , schon mal danke an alle die hier was beitragen können

EkkehardUlrich
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Re: Stimmung , Saiten aufziehen und Wirbelseife

Beitrag von EkkehardUlrich » So 13. Dez 2015, 15:27

Lieber Raimund!

Die Einstellung der Bünde nur so nach Augenmaß, ausgehend vom ersten „festsitzenden“ Bund, führt zu keinem befriedigenden Ergebnis, wie Du ja bereits bei den höheren Bünden bemerkt hast. Da Du keine Bundmarken auf dem Griffbrett findest, mußt Du sie Dir selbst anbringen.

Für Deine Mensur von 630 mm (ich hoffe, Du hast vom Knoten am Steg und nicht von der Stegvorderkante gemessen) ergeben sich folgende Punkte vom Sattel aus gemessen: 1ter Bund 35,3 mm; 2ter Bund 68,7 mm;3ter Bund 100,2 mm; 4ter Bund 129,9 mm; 5ter Bund 157,9mm; 6ter Bund 184,4mm; 7ter Bund 209,4mm; 8ter Bund 232,9 mm; 9ter Bund 255,2 mm; 10ter Bund 276,2mm; 11ter Bund 296,0 mm; 12ter Bund 314,75.

Solltest Du bis zur Stegkante gemessen haben, mußt du die Positionen neu berechnen. Von der dann gemessenen Mensur (Sattel bis Knoten am Steg) ziehst Du die Oktavverschiebung ab (für die g‘-Saite aus Nylon 0,5 mm) und multiplizierst die korrigierte Mensur mit folgenden Werten: 1: 0,05623; 2: 0,10910; 3: 0,15910; 4: 0,20630; 5: 0,25085; 6: 0,29289; 7: 0,33258; 8: 0,37004; 9: 0,40540; 10: 0,43877; 11: 0,47027; 12: 0,50000. Die Maße in mm dann auf eine Stelle hinter dem Komma runden.

Bei diesen Punkten stich mit einer Nadel oder mit einem spitzen Messer kleine Markierungen etwa 4mm von der Griffbrettkante auf der Diskantseite in das Griffbrett. Danach kannst Du dann die Bünde setzen. Die Bünde decken die Markierungen zu.

Die Oktavverschiebung ist übrigens für jede Saite anders, abhängig von Mensur Lagenhöhe, Tonhöhe und Saitenmaterial. In Deinem Fall ergibt sich z. B. die Oktavverschiebung beim 3ten Chor, Ton a, für Nylon von 0,68 mm zum Sattel hin, Die korrigierte Mensur für diesen Chor ist demnach 1,36 mm kürzer. Dadurch ergeben sich dann etwas schräg gestellte Bünde. Die Oktavverschiebung für umsponnene Saiten kann nur durch Ausprobieren ermittelt werden
Die Regulierungsmöglichkeit von Bünden ist von der Art des verwendeten Knotens abhängig, der zumeist anzutreffende einfache Knoten, dessen Haltekraft auf der beim Abbrennen entstehende Verdickung der Darmsaite beruht, läßt nur leichte Korrekturen zu und ist nicht sehr haltbar. Sollten Bünde lose sein solltest Du eigentlich diese Bünde erneuern. Zum Ausprobieren ist es aber möglich, Streichholzstücke keilförmig zu schneiden und unter den losen Bund (in der Nähe des Knoten auf der Halsrückseite) zu stecken. Das ist natürlich nur ein Notbehelf. Das Binden der Bünde solltest Du lernen, es ist nicht schwer. Wenn Du mir Deine Adresse schickst (ekkehard.ursula.sachs(at)t-online.de), schicke ich Dir eine Anleitung zum Binden der Bünde (mit der Schneckenpost). Diese Anleitung kann ich hier leider nicht anhängen, da hier nur 3 Bilder erlaubt sind. (Auch andere Leser dürfen nach der Anleitung fragen!)

Beim Stimmen der Laute gehst Du am einfachsten so vor: 3ter Chor nach Stimmgabel oder mitspielendem Instrument auf a stimmen. 5ter Chor auf Oktave 3ter Bund 3ter Chor stimmen. 2ter Chor auf Oktave 2ter Bund 5ter Chor stimmen, 4ter Chor auf Oktave 3ter Bund 2ter Chor stimmen. 1ter und 6ter Chor auf Oktaven 2ter Bund 4ter Chor stimmen. 7ter Chor auf Oktave 4ter Chor stimmen. 8ter Chor auf Oktave 2ter Bund 5ter Chor stimmen. Danach die Oktavsaiten stimmen.

Nun viel Erfolg

Ekkehard

Raimund
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Re: Stimmung , Saiten aufziehen und Wirbelseife

Beitrag von Raimund » Do 14. Jan 2016, 19:14

Hallo, da bin ich wieder.
Danke, Ekkehard für deinen sehr guten informativen Beitrag. Gemessen hab ich am Steg von der der Rosette / dem Hals zugewandten Seite . Bis zum Sattel waren es genau die 630 mm die auch im "Instrumentenpass" als Mensur angegeben waren.
Mit deinen Angaben komme ich sehr gut hin was die Stimmung betrifft. Jedoch sitzen die Bünde bei diesen Abständen teilweise etwas locker (rutschen aber noch nicht allzu sehr), evtl. lässt die Spannung der Knoten schon etwas nach ? Aber dazu hast mir ja schon geschrieben wegen der beheflsmässigen Befestigung und dem Bund-Binden. Es handelt sich hier aber nur um minimale Nuancen, so dass ich eigentlich keine HIlfsbefestigung brauche Auch die Angaben zur Reihenfolge beim Stimmen / dem Stimmen nach Oktaven ist sehr hifreich Das ist wohl die beste Lösung , wie du schon geschrieben hast, evtl Unreinheiten (die aber bei korreter Bundeinstellung kaum mehr da sind) bie Terzen oder Quinten muss man dann wohl hinnehmen
Jetz noch eine Frage zum Schluss . Ich hab die Laute mittlerweile wieder auf a = 440 gestimmt und darin die Bundeinstellung vorgenommen. Wenn ich wieder runterstimme, zB auf a = 415 (mein Lehrer hat eine so gestimmte Laute , bei Duetten muss ich runterstimmen), gelten dann die von dir genannten mm-Angaben zu den Bünden genauso ? Ich habs noch nicht probiert. Aber ich denke es geht ja um die "Teilung" / Splittung der Abstände der am jew Bund gegriffenen Saite (Abstand von Bund zu Steg/Sattel) in einem gewissen Verhältnis , das ist doch unabhängig vom "Kammerton" oder ?
Also nochmal vielen Dank !

EkkehardUlrich
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Re: Stimmung , Saiten aufziehen und Wirbelseife

Beitrag von EkkehardUlrich » Mi 20. Jan 2016, 15:03

285.jpg
Lieber Raimund!

Die zu ertragenden Unreinheiten haben sich bei den meisten Hörern bereits festgesetzt, so daß sie nicht mehr als unrein empfunden werden. Dies haben wir hauptsächlich dem Klavier zu verdanken. Die Unreinheiten bei der „gleichstufigen Temperatur“, bei der der Halbtonschritt genau 100 Cent ist (die Oktave hat 1200 Cent), beträgt bei der kleinen Terz (3ter Bund) +16 Cent, bei der großen Terz (4ter Bund) -13,7 Cent, bei der Quart (5ter Bund) -2 Cent, bei der Quint (7ter Bund) + 2 Cent). Auch der Ganzton (2ter Bund) hat schon einen Fehler von +3,9 Cent. Die größeren Abweichungen kann man durchaus hören und sie ergeben mit den natürlichen Obertönen der Saiten Schwebungen, die manchmal unangenehm sind.

Beim Umstimmen der Laute von a‘= 440 Hz auf a‘= 415 Hz kannst Du die Bünde dort belassen, wo sie sind. Der Fehler ist beim 5ten Bund für die g‘ Saite etwa 0,008 mm, beim a-Chor (3ter Chor) beträgt die Abweichung etwa 0,02 mm beim 5ten Bund. So genau kann man die Bünde garnicht setzen.

Hier habe ich Dir noch ein Bild, welches ganz oben gelandet ist, aus der Du ersehen kannst, wie die Mensur zu messen ist. Die Angabe im Instrumentenpaß kann, muß aber nicht immer stimmen. Durch die Auffächerung der Saiten ergibt sich für jede Saite eine andere Mensur. Außerdem wird der Saitendurchmesser die Lage des Festpunktes vor der Stegvorderkante verändern.

Viel Spaß beim Spielen

Ekkehard
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Re: Stimmung , Saiten aufziehen und Wirbelseife

Beitrag von Nairolf » Fr 18. Mär 2016, 06:17

EkkehardUlrich hat geschrieben:
Unregelmäßige Abstände der Bünde ergeben sich bei anderen Temperaturen (z.B. Mitteltönig oder deren Varianten), bei der heute üblichen gleichstufigen Temperatur (fälschlich auch „gleichschwebend“ genannt)...

EkkehardUlrich
Hallo Ekkehard,

nun bin ich etwas durcheinander. Warum ist denn die gleichstufige Temperatur nicht = gleichschwebend? Der Unterschied zu pythagoräischen, mitteltönigen und wohltemperierten Stimmungen ist mir durchaus bewußt, jedoch dachte ich, dass sich durch Gleichstufigkeit auch die Schwebungen der Intervalle gleichmäßig verteilen, die ja bei den verschiedenen Stimmungen sonst sehr unterschiedlich sind, und bei den wohltemperierten Systemen (Werkmeister u.A.) ganz bewußt den Tonartcharakter bestimmen, der ja eben durch die "Gleichschwebung" wieder aufgehoben ist. (?)
"Mit Harrfen und Lauten schönen Metzen hofieren, solches nimmt ein böses Ende"
Reformator Johann Mathesius 1560

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